Im Gespräch mit Frederik Wulff, Hauptbevollmächtigter Markel International Insurance Company Limited, Niederlassung für Deutschland, www.markelinternational.de
Markel International ist ein Spezialversicherer für gewerbliche und industrielle Risiken mit langjähriger Erfahrung im Umgang mit komplexen Risiken. Die deutsche Niederlassung wurde 2012 eröffnet. Wir sind reiner Maklerversicherer mit Schwerpunkt auf Berufs- und Vermögensschadenhaftpflicht, D&O und Warenkredit. Als Teil der Markel Gruppe legen wir großen Wert auf Zuverlässigkeit, Flexibilität und Innovation im Umgang mit Partnern und Kunden. Markel International verfügt über ein A Rating von A.M. Best, Standard & Poor‘s und Fitch.
Wie gehen aus Ihrer Erfahrung die meisten Online-Händler mit dem Thema „Risiko“ um?
Bei vielen Online-Shops handelt es sich um neue Projekte, entweder als echte Neugründung oder als zusätzlicher Vertriebskanal in einem bestehenden Unternehmen. Das bedeutend, dass am Anfang meistens die Aufbruchsstimmung vorherrschend ist und das ist eigentlich auch gut so. Natürlich denkt man dabei nicht immer zuerst nur über Risiken nach, weil sonst unternehmerische Aktivitäten nicht funktionieren.
Danach wird man vom operativen „Doing“ oft so in Anspruch genommen, dass meist wenig Zeit bleibt für die konkrete Auseinandersetzung mit Risiken. Irgendwann kommt dann der Moment bei dem man sich gezwungenermaßen mehr mit Risiken befassen muss, entweder weil sich einzelne Risiken tatsächlich realisiert haben oder die fortschreitende Professionalisierung des Unternehmens es erforderlich macht. Auch im Rahmen einer Finanzierungsrunde kann die Thematik von enormer Relevanz sein.
Diese Abläufe sind dem Grunde nach auch richtig, weil sie natürlich sind. Dennoch sollte man unbedingt versuchen, sowohl als Start-up als auch im Rahmen der Etablierung eines neuen Vertriebskanals, relativ früh die existentiellen Risiken zu identifizieren und über Minimierung oder den Transfer dieser Risiken nachzudenken.
Mit welchen Risiken sehen sich die Online-Händler am häufigsten konfrontiert?
Ich würde ohne Anspruch auf Vollständigkeit zunächst einmal grob trennen zwischen den klassischen Unternehmerrisiken und den operationellen Risiken. Unternehmerische Risiken sind sicherlich alle Themen rund um die Strategie des Unternehmens, Marktrisiken, Timing und andere wichtige Annahmen im Business Plan. Diese Fragen hat jeder Unternehmer sich selbst zu beantworten.
Bei den operationellen Risiken gibt es einige die generell alle Unternehmen betreffen wie z. B. Ausfallrisiken von Lieferanten, Feuer im Büro etc. Dann kommen wir langsam zu operationellen Risiken die spezifisch nur Online-Händler betreffen. Diese können grob in drei Bereiche aufteilt werden.
Einmal natürlich der Bereich Online-Veröffentlichungen. Hier reden wir von Marken-, Urheber-, Namens- und Wettbewerbsrecht und den vielen Dingen die man dabei falsch machen kann. Als nächstes das Cyber-Risiko, welches aktuell in aller Munde ist. Schäden durch Hacker und generelle Verletzungen des Datenschutzes können schnell existenzbedrohend für Online-Händler werden, insbesondere auch vor dem Hintergrund des Reputationsverlusts. Schlussendlich bleiben noch die IT-Risiken. Wenn IT entwickelt oder betrieben wird, kann dadurch Schaden verursacht werden und auch dies ist bei Online-Händlern aufgrund der Natur des Geschäfts gar nicht zu vermeiden.
Welche Risiken werden von Online-Händlern am meisten unterschätzt?
Das ist aus Sicht eines Versicherers immer schwer zu beantworten. Aus vielen Gesprächen und dem was wir bei uns im Tagesgeschäft sehen, entstehen viele Schäden aus der Verletzung von geistigem Eigentum. Diese Schäden sind lästig, aber meist nicht „tödlich“.
Unterschätzt wird dabei oft der Umgang damit, also welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um solche Fehler zukünftig zu vermeiden. Gleiches gilt in Bezug auf die Prävention auch für Cyber-Schäden. Jeder weiß, dass es sie gibt, aber natürlich immer nur bei anderen. Wenn es dann einen selber betrifft, denken die meisten nur über die kurzfristige Behebung nach und schließen den Fall im Anschluss gedanklich ab.
Ansonsten gilt es, glaube ich, generell die spezifischen Risiken von Online-Händlern etwas intensiver zu beleuchten, um hier das Bewusstsein zu schärfen.
Wie die Untersuchung unter anderem zeigt, sind viele Risiken mit dem Thema „Cybercrime“ verbunden. Wie hat sich diese Thematik in den letzten Jahren entwickelt?
575.000.000.000 US-Dollar: So hoch ist der geschätzte Schaden, der weltweit jedes Jahr durch Cyber-Kriminalität entsteht. Allein in Deutschland wurden im Jahr 2012 64.000 Fälle von Netzkriminalität erfasst, Dunkelziffer unbekannt. Diese und ähnliche Zahlen kann man den aktuellen Medien entnehmen.
Damit ist das Thema Cybercrime ein Schwerpunktthema für Wirtschaft und Gesellschaft. Die fortschreitende Digitalisierung und die damit einhergehenden Cyber-Risiken gepaart mit einer Vielzahl von Motivationslagen für Cyber-Kriminalität haben sich exponentiell entwickelt und werden das auch weiter tun. Sicherlich wird heute schon deutlich mehr für die Sicherheit getan als noch vor ein paar Jahren, aber es setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass es keine vollständige Sicherheit geben kann.
Es geht in den aktuellen Diskussionen bereits vielmehr um den Aufbau einer Cyber-Resilience, also eines widerstandsfähigen Gesamtsystems. Ziel eines solchen Systems muss es sein, Störungen und Angriffe, die es in steigender Anzahl laufend geben wird, unbeschadet zu absorbieren. Dieser Trend wird sich weiter verstärken und die Entwicklung in den nächsten Jahren prägen.
Gibt es „neuartige“ Risiken, denen sich Online-Händler gegenübersehen?
Der E-Commerce als solcher ist noch nicht besonders alt, weswegen die meisten Risiken relativ neuartig sind. Was sich jedoch immer mehr abzeichnet, sind insbesondere Risiken rund um die Themen geistiges Eigentum und Cybercrime. Viel Energie geht natürlich auch immer in Richtung Betrug. Auch hier wird sicher immer ein Schwerpunkt liegen.
Die Erscheinungsbilder werden in diesen drei Bereichen immer bunter und die Kreativität dabei ist grenzenlos. Es entstehen dadurch am laufenden Band neue Situationen mit denen man umgehen muss. Diese Geschwindigkeit mit der sich die Erscheinungsformen der Risiken verändern, ist das eigentlich „neuartige“ Risiko, welches es zu beherrschen gilt.
Gegen welche Risiken sollten sich Online-Händler aus Ihrer Sicht auf jeden Fall versichern, insbesondere im Hinblick auf mögliche existenzbedrohende Schäden?
Da fällt eine pauschale Antwort sehr schwer, weil schon nicht jeder Online-Händler wie der andere ist. Generell ist es sicher sinnvoll, zuerst einmal die eigenen Risiken zu analysieren. Danach muss man als nächstes prüfen, welche der identifizierten Risiken versicherbar wären.
Wenn man auch das weiß, kann man weitergehen und sich die Frage stellen, was sollte sinnvollerweise versichert werden. Hier stellt sich aber immer auch die Frage nach der persönlichen Risikoneigung der Entscheider. Im Kern macht es aber sicherlich Sinn zu überlegen, was tatsächlich existenzbedrohend für das Unternehmen wäre und zwar sowohl auf der Umsatz- oder Ergebnisseite als auch im Bereich der Reputation.
Auf welche Aspekte sollten Online-Händler beim Abschluss von Versicherungen besonders achten?
Unserer Ansicht nach ist das Wichtigste eine wirklich kompetente Beratung. Der E-Commerce verlangt professionelle Expertise und genauso ist es auch mit dem Thema Risikomanagement. Wenn ein Online-Händler einen wirksamen Risikotransfer erreichen möchte, braucht er dafür einen Profi als Partner, um einen wirklich passenden Risikoschutz zu erhalten.
Das erwähne ich vor dem Hintergrund, dass wir einige Fälle gesehen haben, wo Online-Händler Versicherungen abgeschlossen haben, die nahezu alle zentralen Risiken nicht abgesichert haben. Die Ursachen dafür lagen überwiegend nicht bei den Produktgebern deren Produkte für Unternehmen außerhalb des E-Commerce passend waren, sondern bei dem Versuch diese Produkte unmittelbar ohne Anpassungen auf E-Commerce Unternehmen zu übertragen.
Man muss also wirklich schauen, ob die angebotene Versicherung die tatsächlichen Risiken eines E-Commerce-Unternehmens absichert. Dabei ist es entscheidend einen Berater zu haben, der sich mit den Risiken im E-Commerce auskennt und die Geschäftsmodelle im E-Commerce versteht.
Zum Abschluss, was würden Sie einem kleinen Online-Händler empfehlen, wenn er Sie um Rat bezüglich der richtigen Vorgehensweise zur Identifikation, Einschätzung und Behandlung von Risiken frägt?
Es bleibt bei dem oben gesagten. Als kleiner Online-Händler würde ich zunächst meine Hausaufgaben machen und mir meine Risikolandschaft im Unternehmen einmal grob erarbeiten. Dann würde ich mir einen qualifizierten externen Berater einladen, um dieses Bild zu vervollständigen. Im Anschluss daran kann man sich erst sinnvoll über die klassischen Themen des Risikomanagements inklusive der Frage nach Risikotransfer über Versicherungen unterhalten.
Kostenfreier Download der Studie „Risiken von Online-Händlern“: www.ibi.de/e-commerce-risiken