E-Commerce-Leitfaden
ibi research an der Universität Regensburg GmbH
30.01.2009

Verbraucherrechte: Zahlt der Verbraucher am Ende die Zeche doch selbst?

Alle ziehen an einem Strang - EuGH, BGH und Gesetzgeber stärken Verbraucherrechte

Seit jeher ist der Verbraucher eine der wenigen heiligen Kühe in der deutschen Rechtslandschaft. Sowohl die Gerichte, als auch der Gesetzgeber stellt den Verbraucher immer öfter unter Artenschutz. Dass damit nicht zuletzt auch politische Interessen verfolgt werden, kann an dieser Stelle nur vermutet werden.
Wir kaufen ein Notebook, nach vier Monaten versagt das DVD-Laufwerk seinen Dienst und es muss kostenfrei ausgetauscht werden. Die Sachmängelhaftung des BGB greift. Viele Unternehmen weiten die Rechte des Käufers (Verbrauchers!) im Rahmen ihrer Garantiezusagen sogar noch aus.
Wir kaufen einen neuen Mantel von der Stange im Internet. Er wird geliefert, er passt wie angegossen, es ist genau das bestellte Modell, aber wir haben trotzdem das Recht, mindestens 14 Tage lang das gute Stück ohne einen Grund zurückzuschicken. Soweit der Mantel wertmäßig die magische Grenze von 40 EUR übersteigt, tragen wir, wie selbstverständlich, auch nicht die Rücksendekosten.

Die Unternehmer ihrerseits können da lediglich tatenlos zusehen, wie nach und nach Verbrauchern immer mehr Rechte eingeräumt werden müssen. Man stelle sich folgenden Fall vor, der bestimmt nicht selten in der Realität vorkommt:
Der Verbraucher kauft ein Herd-Set für etwa 530,00 EUR. Nach etwa einem Jahr der Nutzung stellt er fest, dass sich in dem zum Herd-Set gehörenden Backofen die Emailleschicht abgelöst hat. Das Gerät wurde gegen ein neues ausgetauscht.

EuGH setzt Erweiterung der Verbraucherrechte durch


Für die einjährige Nutzung stellte der Händler einen Betrag von etwa 70 EUR in Rechnung. Und er hatte dabei bislang eigentlich das Recht auf seiner Seite. Allerdings entschied der EuGH, dass diese zivilrechtliche Regelung europarechtswidrig sei.
Der BGH schloss sich dem Ende November des abgelaufenen Jahres an und kassierte diese Vorgehensweise. Der deutsche Gesetzgeber wiederum reagierte ungewohnt schnell und änderte die betroffene Norm, den § 474 II BGB, zum 16.12.2008. Seitdem ist bei der Ersatzlieferung infolge eines Sachmangels kein Nutzungsersatz für die ausgetauschte Kaufsache zu leisten.
Hinzu kommt, dass bei der nachgelieferten Sache die gesetzlichen Gewährleistungsfristen wieder von neuem zu laufen beginnen. Dies hat zur Folge, dass, zumindest in der Theorie, eine unbegrenzte Gewährleistung möglich wäre. Die Verbraucher wird es freuen.

Selbstverständlich gäbe es noch viel mehr Regelungen, die man verbraucherfreundlich auslegen könnte. Und es könnte gut sein, dass bald zwei noch offene Fragen zu Gunsten der Verbraucherschaft entschieden werden könnten.

Weitere Fragen liegen dem EuGH zur Entscheidung vor

Der Europäische Gerichtshof hat über die Frage zu befinden, wer eigentlich die Kosten der Hinsendung (also für den Transport zum Verkäufer) zu tragen hat, wenn danach ein wirksamer Widerruf erklärt wird. Ferner vorgelegt wurde die Frage nach einem Anspruch auf Nutzungsersatz, wenn ein wirksamer Widerruf erklärt wurde. Also ähnlich dem oben dargestellten Fall, nur mit dem Unterschied, dass keine Ersatz-lieferung bei Mangelhaftigkeit erfolgt, sondern eine Rückabwicklung des Kaufvertrags.

Zahlt der Verbraucher am Ende die Zeche doch selbst?

Schöne neue (Verbraucher-)Welt - so könnte man meinen. Allerdings hat jede Medaille eine Kehrseite. Denn bei genauerem Hinsehen erweist sich die Stärkung der Verbraucherrechte möglicherweise als Grund für Preissteigerungen. Denn: auf den ersten Blick wird der Unternehmer mit Versandkosten bei Ausübung des Widerrufs belastet, er muss ferner auf den Nutzungsersatz bei Ersatzlieferung verzichten, möglicher-weise demnächst auch die bereits gezahlten Kosten für die Hinsendung der Ware erstatten und erhält vielleicht sogar dann keinen Nutzungsersatz mehr, wenn ein wirksamer Widerruf vorliegt. Klingt nach einem klaren 4:0 für die Verbraucher.
Die Unternehmer werden jedoch mit allergrößter Wahrscheinlichkeit sich diese ihnen auferlegten Kosten an anderer Stelle wiederholen. Bereits heute haben sie die Mehrkosten im Rahmen einer Mischkalkulation in ihre Verkaufspreisstrategien integriert. Man kann also getrost davon ausgehen, dass bei weiterer ,,Stärkung der Verbraucherrechte die Preise ein wenig ansteigen werden. Und so könnten die Unternehmer mit einem einzigen Treffer aus einem 4:0 ein 4:4 machen.

Autor:
Rechtsanwalt Dr. Sven Mehlhorn
Moltkestraße 10
35390 Gießen
Telefon: 0641 93039-33
Fax: 0641 93039-34
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

E-Commerce-Newsletter
Bleiben Sie auf dem Laufenden: aktuelle Studien, News und Veranstaltungstipps mit unserem zweiwöchigen & kostenlosen Newsletter.

Herr    Frau




Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.
Weitere Informationen Ok